Einleitung
Seit der Reform des spanischen Strafgesetzbuchs im Jahr 2015 sind Unternehmen in Spanien strafrechtlich verantwortlich für bestimmte Straftaten, die von ihren Mitarbeitern, Führungskräften oder Organen begangen werden – sofern sie kein wirksames Compliance-System zur Prävention vorweisen können.
Viele internationale Unternehmen verfügen bereits über bewährte Compliance-Strukturen, sei es nach dem US-amerikanischen Foreign Corrupt Practices Act (FCPA), dem deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) oder auf Basis der ISO 37301. Doch diese Standards reichen allein nicht aus, um strafrechtliche Verantwortung in Spanien zu vermeiden.
Der spanische Standard UNE 19601:2025 definiert konkrete Anforderungen an ein wirksames strafrechtliches Compliance-Management-System (CMS) und bildet die Grundlage für den strafrechtlichen Exkulpationsmechanismus spanischer Unternehmen.
In diesem Artikel zeigen wir, wie Sie Ihr internationales Compliance-Programm effektiv an die spanische Gesetzgebung anpassen.
Warum ist UNE 19601:2025 für Ihr Unternehmen relevant?
Die UNE 19601 ist ein spanischer Standard, der speziell auf die Anforderungen des spanischen Strafrechts abgestimmt ist. In der aktualisierten Version 2025 werden neue Aspekte berücksichtigt, darunter:
Integration mit dem Hinweisgeberschutzgesetz (Ley 2/2023)
Stärkere Betonung auf risikobasierter Prävention, insbesondere in Bezug auf Umweltkriminalität, Datenschutz und steuerrechtliche Verstöße
Anforderungen an dokumentierte Schulungsmaßnahmen
Verpflichtende regelmäßige Evaluierung der Wirksamkeit des Modells
Ohne ein nachweislich wirksames Modell kann ein Unternehmen nicht von der strafrechtlichen Verantwortlichkeit befreit werden – selbst wenn der Verstoß von einer Einzelperson ausgeht.
Was unterscheidet UNE 19601 von internationalen Standards?
Obwohl es Überschneidungen mit ISO 37301 und anderen globalen Normen gibt, setzt die UNE 19601 spezifische Schwerpunkte:
Fokus auf strafrechtliche Risiken: nicht allgemeines ethisches Verhalten, sondern Vermeidung konkreter Straftatbestände wie Korruption, Geldwäsche, Subventionsbetrug oder Verstöße gegen Umweltauflagen.
Anforderungen an Strafverteidigung und gerichtsfeste Dokumentation.
Verbindung zur Organisationsstruktur: Vorstand und Compliance-Beauftragte müssen ihre Überwachungsfunktion konkret wahrnehmen und dokumentieren.
Pflicht zur regelmäßigen Überprüfung und Anpassung des Systems an rechtliche Änderungen und tatsächliche Entwicklungen.
Die 6 zentralen Schritte zur Anpassung Ihres Programms
1. GAP-Analyse durchführen
Zunächst muss eine gründliche Lückenanalyse zwischen dem bestehenden Modell und den Anforderungen der UNE 19601:2025 erfolgen. Dabei ist besonders zu prüfen, ob das aktuelle Modell spanische Strafnormen vollständig abdeckt.
2. Risikoinventar erstellen
Auf Grundlage der Geschäftstätigkeit in Spanien (Branche, Größe, behördliche Kontakte etc.) wird eine Risikoanalyse nach Deliktsfeldern erstellt: z. B. Korruption, Wettbewerbsverzerrung, Umweltvergehen, Steuerdelikte, Urheberrechtsverstöße.
3. Rollen und Zuständigkeiten festlegen
Das Modell muss eindeutig Verantwortlichkeiten definieren:
Gibt es einen Compliance-Officer mit Entscheidungskompetenz?
Ist der Zugang zum Vorstand und zur Geschäftsleitung gewährleistet?
Wird regelmäßig an das Management berichtet?
4. Kanäle für Hinweise und Beschwerden einrichten
Ein interner Whistleblowing-Kanal, konform mit Ley 2/2023, muss anonymen und geschützten Zugang ermöglichen – sowohl für Mitarbeiter als auch für externe Beteiligte (Lieferanten, Kunden).
5. Schulungen und Kommunikation
UNE 19601 verlangt dokumentierte, kontinuierliche Schulungen, die auf das Risikoprofil des Unternehmens zugeschnitten sind. Führungskräfte tragen besondere Verantwortung für die Verbreitung der Compliance-Kultur.
6. Überwachung, Audit und Sanktionen
Das Modell muss regelmäßig überprüft und angepasst werden. Interne Audits, Prüfungen durch externe Berater sowie ein definiertes Sanktionssystem für Verstöße sind Pflicht.
Typische Fehler bei der Umsetzung
Übertragung des US- oder deutschen Modells ohne nationale Anpassung
Keine spanischsprachige Dokumentation – auch das kann als Indiz für fehlende Wirksamkeit gewertet werden
Fehlen eines wirksamen Sanktionierungssystems
Compliance nur „auf dem Papier“, ohne tatsächliche Implementierung
Rechtsprechung bestätigt: Nur wirksame Modelle schützen
Der spanische Oberste Gerichtshof hat mehrfach entschieden, dass die bloße Existenz eines Compliance-Programms nicht ausreicht. Entscheidend ist, ob das System wirksam und aktiv angewendet wurde (z. B. STS 372/2025).
In einem Fall wurde ein Unternehmen freigesprochen, weil es nachweisen konnte, dass:
ein aktuelles Risikomodell vorlag
Schulungen stattgefunden hatten
der Täter gezielt das System umgangen hatte
Das unterstreicht: Nur gelebte Compliance schützt vor Strafe.
Fazit: Compliance ist kein Luxus, sondern Voraussetzung
Für internationale Unternehmen mit Aktivitäten in Spanien ist ein wirksames, angepasstes Compliance-System nicht optional, sondern unverzichtbar – insbesondere in regulierten Branchen oder bei öffentlichen Ausschreibungen.
Unser Team bei Dr. Frühbeck Abogados begleitet Sie bei der Analyse, Anpassung und Umsetzung eines Compliance-Modells nach UNE 19601:2025. Wir sorgen dafür, dass Sie nicht nur juristisch abgesichert sind, sondern auch Ihre Reputation, Ausschreibungsfähigkeit und Zukunftsfähigkeit sichern.
Kontaktieren Sie uns für einen unverbindlichen Compliance-Check Ihrer Organisation.